Getrübter Blick: Treibhausgas-Emissionen von Cloud-Services

Wir ermitteln unseren THG-Fußabdruck

Bei improuv haben wir im Jahr 2022 zum ersten Mal detailliert Emissionen durch Treibhausgase (THG) erfasst, rückwirkend für das Jahr 2021, und darüber berichtet. Diese Bestandsaufnahme ist die Basis für Verbesserungsmaßnahmen, die wir – je nach ihrem Impact – für das nächste Jahr planen. Was heißt Impact? Wir wollen an den Stellen angreifen, wo wir mit erträglichen “Schmerzen” einen möglichst großen Beitrag zur Reduktion unserer Emissionen leisten können. Zum Beispiel durch Reduzierung der Raumtemperatur auf 19 Grad oder – automatisch gesteuert – noch niedriger in Zeiten, in denen niemand im Büro anwesend ist.

Wir haben uns bei der Erfassung an das Greenhouse-Gas-Protokoll (GHG) gehalten. Diese international anerkannte Berechnungsmethode entspricht den Anforderungen der ISO140641:2018 und kann als Grundlage für eine Verifizierung nach ISO14064‐1:2018 verwendet werden. Berichterstattungen und Zertifizierungen werden für unsere Kund:innen zunehmend an Bedeutung gewinnen: Nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSDR) werden alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden berichtspflichtig. Dazu gehören wir als kleiner Dienstleister mit zwanzig Mitarbeitenden zwar nicht, aber wir werden als Teil der Lieferkette unserer Kund:innen auskunftspflichtig. Grund genug, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Birte und Jan Markus vom Terra Institute haben uns geholfen, die Einstiegshürde zu überwinden. Wir haben dabei viel gelernt, und da wir glauben, dass unser Vorgehen beispielhaft für Unternehmen wie das unsere ist, möchten wir es Euch hier in Groben erklären.

Das GHG-Protokoll klassifiziert Emissionen von Treibhausgasen (THGs) nach drei “Scopes”:

  • Scope 1: direkte standortbezogene Emissionen aus Quellen, die im Besitz oder unter der Kontrolle des Unternehmens sind
    • Emissionen aus der Verbrennung in eigenen oder kontrollierten Kesseln, Öfen, Fahrzeugen usw.
    • Emissionen aus der chemischen Produktion in eigenen oder kontrollierten Prozessanlagen
  • Scope 2: indirekte Emissionen aus dem Konsum von Strom und Fernwärme
  • Scope 3 (optional für das Reporting): alle anderen indirekten Emissionen, z. B.
    • Gewinnung und Produktion von zugekauften Materialien
    • Transport von gekauften Brennstoffe
    • Nutzung von verkauften Produkten und Dienstleistungen

Bei uns rauchen zwar manchmal die Köpfe, aber ansonsten fallen bei uns keine Scope-1-Emissionen an. Scope 2 ist ziemlich klar und lässt sich aus den Rechnungen für Strom und Heizung ablesen. Bei Scope 3 wird es komplizierter: Wir erinnern uns an das Jahr 2021, über das wir hier berichten. 2020 hatte Corona uns ins Home Office verbannt, und 2021 hatte sich daran noch nicht viel geändert. Die Faktoren, die in normalen Jahren zu unserem Fußabdruck beigetragen hätten (Anreisen von Mitarbeitenden ins Büro, Dienstreisen zu Kund:innen, Reisen und Versorgung von Trainingsteilnehmenden, Produktion und Versand von physischem Trainingsmaterial), spielten in diesem Jahr kaum eine Rolle. Daher hatten wir die von uns vielfältig genutzten Cloud-Services (Zoom, Google Workspace, Miro, Dropbox…) im Verdacht, den größten Brocken auszumachen und damit auch den größten möglichen Impact zu versprechen. Wir machten uns also daran, diesen Brocken zahlenmäßig zu ermitteln – und fielen im wahrsten Sinne des Wortes aus allen Wolken, als wir feststellten, dass wir mit diesem Thema Neuland betraten. Niemand schien bescheid zu wissen, die Quellen waren dürftig, und die Daten, die wir brauchten, waren für uns kaum zugänglich.  Dabei handelt es sich um ein relevantes Thema: Der Energieverbrauch aller Rechenzentren liegt heute bei über 200 TWh/Jahr. Nur 22 Länder der Welt verbrauchen mehr Energie. 

Unbekannte Daten

Welche Daten brauchten wir? Die Emissionen der Cloud-Dienste entstehen durch die elektrische Energie (in kWh), die in CO2-Äquivalente (CO2e, in t) umgerechnet werden kann. Im einzelnen tragen dazu bei:

  • Datenübertragung über Glasfaser oder andere Kabel
  • Speicherung im Data Center auf Harddisks, incl. Infrastruktur wie Kühlung und Licht
  • Herstellung der Server
  • Betrieb der eigenen Geräte (Laptop, Router, Bildschirm…)

Die drei großen Cloud-Anbieter geben an, bereits erneuerbare Energien zu nutzen, oder veröffentlichen entsprechende Absichtserklärungen:

  • Google Cloud: bis 2030 sollen alle Rechenzentren rund um die Uhr CO2-frei mit Strom versorgt werden
  • Microsoft Azure und Amazon Web Services: 100% erneuerbare Energie bis 2025
  • Google und Microsoft: bereits CO2-neutral durch Kompensation

Aber welchen dieser Dienste nutzen unsere Anbieter? Das war aus den Webseiten so ohne weiteres nicht zu ersehen. Wir fragten exemplarisch nach bei Miro und Dropbox, ob sie uns irgendetwas zu den von unseren Diensten verursachten Emissionen sagen könnten, wurden aber nur auf die Seiten mit ihren CSR-Reports verwiesen. 

Wir fragten bei GoClimate nach. Das ist eine Organisation, die Emissionen errechnet, bei der Reduzierung unterstützt und Kompensationen über Beiträge zu zertifizierten Klimaprojekten durchführt. Gegründet wurde sie übrigens von Henrik Kniberg, dem Certified Scrum Trainer, der durch seine Videos über die Spotify Engineering Culture bekannt wurde. Hier soll man die Anzahl der aktiven Cloud-Server angeben. Die wissen wir natürlich auch nicht. Als Alternative kann man die “bezahlten Daten” angeben, die der jeweilige Anbieter in Rechnung stellt. Die meisten unserer Dienste werden aber nicht nach Datenmengen bezahlt. Aber immerhin war dies ein Anhaltspunkt für eine erste Kalkulation. 

Die Wolken lockern auf

Etwas Licht ins Dunkel brachte eine Veröffentlichung des Öko-Instituts. Wir nutzen daraus folgende Daten:

  • Teilnahme an Online-Videokonferenzen: täglich 4h -> 20 kg CO2e/a. Damit errechne ich 300 kg CO2e pro Jahr. Wenn ich unsere Trainings mit einbeziehe, steigt dieser Wert auf: 600 kg CO2e pro Jahr. Auf einen niedrigeren Wert (9 kg CO2e/a) komme ich mit dem Rechner für Zoom-Emissionen.
    Dazu kommen größere Mengen für Laptop / Monitor / Router, die aber durch die “Homeoffice-Pauschale” unserer weiteren Berechnungen abgedeckt sind.
  • Cloud-Storage: 30 W / Terrabyte, 31 kg CO2e pro Jahr für 250 GB → 240 kg CO2e pro Jahr für 2 Terrabyte Daten

Große Überraschung: Damit sind die Cloud-Services nicht der dickste Posten in unserer Berechnungstabelle! Zum Beispiel liegt die Anschaffung neuer IT-Geräte mit 2,3 t deutlich darüber.

All diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Bei dem Vergleich mehrerer Studien stellten sich heraus, dass sie bei der Abschätzung von Netflix-Streaming um den Faktor 80 voneinander abwichen. Die Ergebnisse hängen stark ab von den benutzten Geräten, der Art der Netzverbindung und der Auflösung. Daher sind wir sehr interessiert daran, mit Euch in einen Austausch zu treten. Von welchen Annahmen geht ihr aus?

Was können wir tun?

Wir werden die Situation weiter im Auge behalten, nicht nur unsere Daten — zunehmend automatisiert — erfassen, sondern auch Aktionen zur Reduktion der Emissionen umsetzen. Auch wenn die Cloud-Services anteilsmäßig nicht so schlimm sind wie gedacht, gibt es ein paar Maßnahmen, mit denen wir sie ohne “Schmerzen” reduzieren können:

  • Videostreaming am besten über Glasfaser und WLAN. Breitband ist schlechter, Mobilfunk noch schlechter
  • Geringere Qualität / Auflösung bei der Wiedergabe (z. B. kann man bei Zoom die Auflösung der eigenen Kamera einstellen, HD oder nicht)
  • Kleinere Bildschirme (Videos auf Smartphone ansehen; 2. Monitor bei Videokonferenz abschalten, das verringert auch das Multitasking (Zwinkern))
  • Kamera ausschalten (wenn nicht für Interaktion wichtig). Dadurch wird das Datenvolumen um 90% verringert 
  • Nicht mehr benötigte Daten löschen
Scroll to Top